Forschungsprojekt "In der Krise: Beibehalten, innovieren, über Bord werfen"

Ich schätze Personen, die andere Lebensauffassungen haben

Dialogisches Interview mit Dipl.Ing. Bernhard Ölz,
Vorstand der PRISMA Holding AG
29. November 2009
Das dialogische Interview führte Kuno Sohm *

Kuno Sohm: Eine Linie im Gespräch könnte sein, dass wir von einem äußeren Kreis, vom Überregionalen, Globalen zu deinem Unternehmen und dann mehr ins Persönliche kommen. Ich habe vor kurzem ein Interview von Konrad Paul Liessmann im Standard gelesen. Sinngemäß sagt er, ist die Krise eine Phase, in der sich Dinge scheiden. Sind wir in bestimmten gesellschaftlichen Bereichen angekommen, wo sich Dinge scheiden?
 
1. Krise als schmerzhaftes Aufzeigen der Verletzlichkeit
 
Bernhard Ölz: Zum Thema Krise ganz generell. Das hilft jetzt zwar denen nicht, die betroffen sind, die arbeitslos geworden sind und teilweise finanzielle Verluste hinnehmen müssen. Aber eine richtige Krise sieht meiner Meinung anders aus. Allein dass wir jetzt hier sitzen und über dieses Thema reden. Wenn ich mich in meinem Umfeld und in Vorarlberg umsehe, frage ich mich, ob das Wort Krise richtig ist. Ich würde es mehr als ein schmerzhaftes Aufzeigen der Verletzlichkeit, der Sensibilität unseres Wirtschaftssystems, bezeichnen - mit vielen Blasen, die geplatzt sind und Spekulationen ohne Boden. Es wurde uns quasi aufgezeigt, dass es so nicht weiter gehen kann in dieser überzüchteten Art und Weise. Wenn man sich die Zahlen von 2003 – 2008 ansieht, haben wir ein total unverständliches Wachstum gehabt, das meiner Ansicht nach überzogen war. Aber wenn man die langfristige Kurve hernimmt, sind wir gar nicht so weit weg von dem, wo wir jetzt eigentlich stehen würden, wenn es weder überzogenes Wachstum noch Einbruch gegeben hätte. Angenommen wir reden von 4 – 5% Rückgang, so haben wir immer noch 95% der Wertschöpfung. Insofern sage ich, eine wirkliche Krise schaut anders aus.
 
KS: Was wäre für dich eine Krise?
 
Bernhard Ölz: Krise ist, wenn ganze Systeme zusammenbrechen und wir alle existenzielle Probleme haben. Allerdings wissen wir heute noch nicht wirklich, wo wir stehen. Das Beispiel Dubai zeigt das deutlich. Ich bin allerdings froh, dass gewisse Dinge insbesondere im Finanz- und Kapitalmarkt jetzt zusammengebrochen sind, jetzt, als sie noch abgefangen werden konnten. Man weiß ja schon seit Jahren auch in unserem Umfeld, im Bereich Immobilien-Investitionen, dass gewisse Dinge einfach hoch „gezüchtet“ waren, was für mich fachlich nicht nachvollziehbar und  unverständlich war. Insbesondere bei mehreren Fonds, die im Zusammenhang mit dem Engagement in Osteuropa gegründet wurden, haben wir gesagt, da muss zum Schluss noch etwas kommen.
 
KS: Wenn du gerade Dubai ansprichst: du erinnerst dich an diese Aufschüttung, diese Palme, die sie dort ins Meer gebaut haben? Als Beobachter habe ich mich gefragt, ob das gut gehen kann und wer solche Projekte überhaupt nachfragt.
 
2. Die Komplexität der Finanzprodukte
 
Bernhard Ölz: Eben, der Nutzen und der Zusammenhang zur Volkswirtschaft ist für mich auch nicht klar. Uns hat man oft gefragt, wieso wir nicht in Bukarest, Bulgarien, Ukraine, Russland, Moldawien investieren. Aber für mich ist es einfach nicht nachvollziehbar, wieso eine Miete in diesen Ländern, z.B. in Prag oder Bukarest, fünfmal so teuer ist wie in Wien. Volkswirtschaftlich ist es nicht erklärbar, beruht also rein auf Spekulationen. Das heißt aber, dass das Wirtschaftssystem irgendwann zu einem Ausgleich zu einem Zustand kommt, wie wir ihn jetzt Krise nennen. Das sind eigene Systeme, die von vielen hoch gepusht worden sind. Und es hat auch eine Zeitlang für viele Investoren funktioniert, aber für die, die am Schluss dabei waren, nicht mehr. Das ist eine Art Schneeballsystem und irgendwann fehlt es einfach an Liquidität. Ich bin froh darüber, dass diese Systeme korrigiert worden sind. Man kann aber bei allem Schmerzhaften insofern etwas positiv sehen, dass vielleicht gewisse Leute zum Nachdenken angeregt wurden, was sie da überhaupt treiben. Man sollte im Aufsichts- und im Öffentlichen Bereich einfach besser drauf schauen, was unsere Finanzmärkte und unsere Banken machen.
 
KS: Also du meinst, dass beispielsweise Finanzprodukte besser kontrolliert werden sollen – etwa mit einer dem TÜV vergleichbaren Organisation?
 
Bernhard Ölz: Ja, es hat jeder solche Produkte gekauft. Ich meine, ich bin weder Experte noch Laie in diesen Dingen, aber viele dieser Finanzprodukte verstehst du gar nicht mehr. Und das Schöne ist jetzt, dass die Menschen wieder Produkte kaufen, die sie verstehen oder zumindest die Firma kennen. Vor zwei Jahren konnte man noch ohne weiteres ein paar Milliarden Euro in Osteuropa platzieren. Das geht heutzutage nicht mehr so leicht. Zum Glück.
KS: Das beschäftigt mich auch immer wieder. In dieser älter werdenden Gesellschaft suchen Leute vermehrt nach Anlagen und investieren in Finanzprodukte, wenn sie keine Anlage in realen Werten oder Unternehmenswerte finden.
 
Bernhard Ölz: Wobei das ja gar keine Realwerte waren, das war nur vorgetäuscht, das weiß man ja inzwischen. Das ist über Bewertungen gelaufen. Und insofern muss ich sagen, dass man sich die Gutachter und Finanzexperten, die jetzt immer noch ein gleiches Gutachten für eine Immobilie in Bukarest machen würden, heute ganz genau anschaut. Unser Finanzmanagement hat das sehr genau beobachtet, und wir können sagen, dass eine reale, bestehende Immobilie mit den Bewertungen nach international möglichen Bilanzierungsregeln (IFRS) gar nicht soviel hergeben kann, was da an Wert heraus genommen worden ist.
 
KS: Da werden also oft die Augen einfach zugemacht?
 
Bernhard Ölz: Nicht einfach zugemacht, sondern gezielt gestaltet. Die Liquidität holte man sich aus den Märkten, weil ja alles funktioniert hat. Man hat ausgeschüttet und wieder neu angelegt. Das war ein System. Dass das irgendwann zum Stillstand kommt, ist einfach ganz klar. Die Frage war nur, wie lange es gut gehen kann und wann der Stillstand kommt. Diese Dinge haben sich jetzt geändert und dem kann ich in dieser Zeit etwas Positives abgewinnen.
 
Es ist auch nicht sehr motivierend, dass man überall von Krise hört. „Trotz“ Krise geht man einkaufen und „trotz“ Krise funktioniert der Tourismus. Immer nur „trotz“. Die mediale Berichterstattung hat zusätzliche Verunsicherung geschaffen. Was wir haben, sind relativ radikale Veränderungen in den Rahmenbedingungen, insbesondere im Finanzierungsbereich.
 
KS: Ein anderer Bereich ist ja z.B. die Automobil- und LKW- Branche. Von deutschen Zulieferern höre ich von Umsatzeinbrüchen bis zu 70%.
 
Bernhard Ölz: Ja, das sind Krisen. Da sage ich ja. Bereiche trifft es wie Maschinenbau und Automobilindustrie, eigentlich viele Zulieferer. Bei Einbrüchen bis zu 70% habe ich zumindest im Unternehmen und für alle Mitarbeiter eine Krise, bei der man richtig handeln muss. Das ist klar, das ist Krise. Ich rede vom Globalen – quer drüber –da gibt es viele Gewinner. Ich habe gerade heute in Friedrichshafen mit einem sehr erfolgreichen Unternehmer geredet.
 
KS: Wer ist derzeit Gewinner in dieser Situation?
 
Bernhard Ölz: Es sind Unternehmen, in diesem Fall zum Beispiel ein spezielles Softwareunternehmen, das im Lizenzmanagement von unterschiedlichen Unternehmen Software-Systeme anbietet, wie Einsparungen möglich sind. Es hat im letzten Jahr 50% Umsatzzuwachs gemacht. Das ist ein klarer Gewinner. Ich zähle uns jetzt beispielsweise als PRISMA Gruppe auch nicht zu den Verlierern. Wir haben natürlich, weil es reale Werte sind, richtig bewertet und durch die günstigen Zinsen eher Vorteile als Nachteile gehabt.
 
KS: In Bregenz, dem Projekt Seestadt, habe ich bei einer Präsentation von euch mitbekommen, dass sich gewisse Einkaufsgewohnheiten in den Städten geändert haben. Welche sind eure Erfolgsfaktoren, die ihr erarbeitet habt, um krisenresistenter zu sein?
 
3. Im Kontakt mit den Betroffenen Prozesse gestalten
 
Bernhard Ölz: Ein Grundsatzthema der PRISMA ist, dass wir andere sehr ernst nehmen. Das könnte man als Erfolgsfaktor sehen, wenn das jetzt auch ein wenig komisch klingt. Das Beispiel Bregenz zeigt das aber sehr klar, es ist bei uns kein Projekt, sondern ein Prozess. Wenn man mich heute oder vor einem Jahr gefragt hätte, was da in zwei Jahren kommt, hätte ich keine Antwort gewusst. Viele wissen da schon die Antwort und das ist aus meiner Sicht eine andere Einschätzung – ich will nicht sagen, eine falsche, das macht jeder auf seine Art. Aber wenn ich die Leute ernst nehme, dann darf ich das nicht sagen. Ich muss zuerst mit allen Beteiligten reden, alle einbeziehen. Ich muss gemeinsam etwas planen – gemeinsam etwas weiterbringen – damit es nachhaltig ist und langfristig passt. Und dann habe ich auch eine höhere Akzeptanz. Das heißt aber: die Situation wirklich ernst nehmen, nicht nur davon reden und das eigene Programm durchziehen. Wirklich ernst nehmen und die Dinge ändern – das ist bei mir Prozess. Wir sind eine Firma, die Prozesse gestaltet, investiert und dann nachhaltig führt.
 
KS: In Bregenz seid ihr ja sogar das Risiko eingegangen, einen Bürgerrat (ks: das ist eine bestimmte Form von Bürgerbeteiligung) zu wollen?
 
Bernhard Ölz: Für uns war das kein Risiko, sondern eher ein Experiment. Das war ein Prozess und es war mir sehr wichtig, weil die Bürger zufällig ausgesucht wurden, und weil sie ernsthaft und ehrlich mitgearbeitet haben. Und ich will deren Meinung wissen, weil ich später auf sie angewiesen bin, wenn sie zu mir kommen, um einzukaufen oder zu arbeiten. Und wenn ich sie nicht ernst nehme, plane ich sowieso an der Sache vorbei.
 
KS: Wie ist diese Erkenntnis gewachsen: „Wir müssen im Kontakt mit den Betroffenen sein, Prozesse gestalten und dann vertrauen?“
 
Bernhard Ölz: Diese Grundhaltung kommt von meiner Ausbildung und von beruflichen Erfahrungen. Ich habe an der Universität für Bodenkultur in Wien studiert und da lernt man, gesamthaft zu denken und verantwortlich zu handeln. Ich sage immer, das Eine ist, was man sagt und das Andere, was man tut. Schön ist, wenn beides zusammenpasst, denn das schafft Vertrauen. Insofern muss man das vorleben. Wir haben es jetzt leichter, weil wir viele Projekte realisiert haben, zum Beispiel den Millennium Park in Lustenau, wo wir versuchen, jedes Unternehmen, das im Park ist, arbeitet oder mietet, ernst zu nehmen, gegenseitig – also wertschätzend. Das ist eines unserer Hauptthemen und man würde gar nicht meinen, was das ausmacht, wenn man es lebt. Es gibt viele, die darüber reden, aber wichtig ist es auch, das wirklich zu leben, jeden Tag, auch wenn es schmerzlich und wirtschaftlich nachteilig ist. Aber man muss versuchen, es im Großen und Ganzen wirklich zu tun. Und so ähnlich ist es mit einem Prozess, wie bei der Entwicklung der Seestadt in Bregenz, dem Garnmarkt in Götzis oder dem Projekt am ehemaligen Stadtwerkeareal in Salzburg.
 
KS: Und wie hast du mit deiner Einstellung deine Mitarbeiter angesteckt? Wie wichtig eine ganzheitliche, visionäre Einstellung für einen erfolgreichen Prozess ist, habe ich heute erfahren. Ich war gerade heute Morgen bei der Stadt Hohenems bei einer Nachbesprechung des BürgerInnenrates mit dem Bürgermeister und der Stadtamtsdirektorin. Eines der Ergebnisse des Bürgerrates war, dass die Bürger der Meinung sind, dass man mehr Verantwortung übernehmen müsse und dass es eine andere Form der Kommunikation und Beteiligung in der Gemeinde braucht.
 
Bernhard Ölz: Man braucht in einem Prozess immer einen, der dazu schaut, dass etwas weiter geht und einen, der Visionen hat, wo es hingehen soll; jetzt nicht inhaltlich, sondern vom Prozess her. Wir haben es vermutlich einfacher mit einer Standortentwicklung. Aber du brauchst jemanden, der dazu schaut, dass es funktioniert und kein Stillstand entsteht: nicht Rückschritt, sondern Fortschritt. Das braucht man und das können wir, das haben wir gelernt. Weil wir auch weiterkommen müssen. Aber bei Projekten wie der Seestadt darf man nicht der Getriebene sein. Die Zeit der Projektentwicklung mit den Beteiligungsprozessen ist entscheidend für die Nachhaltigkeit des Standortes. Da darf es auch durchaus den einen oder anderen Rückschlag geben.
 
KS: Das ist für manche wahrscheinlich irritierend.
 
Bernhard Ölz: Total irritierend. Viele fragen dann, warum lässt du den Kopf nicht hängen, wenn es hakt. Dann sage ich, es kann gar nicht besser laufen, wenn sich Menschen mit Engagement und Ideen einbringen. Wir schauen, dass wir die guten Ideen kanalisieren. Natürlich gilt da auch die Demokratie, man kann nicht alle Ideen aufnehmen, aber du kannst wichtige Dinge aufnehmen und du kannst die dann wieder präsentieren. Es ist auch kein Problem, wenn man fünf Durchläufe macht. Man wird nachher sehen, dass viele gute Dinge entstanden sind, die vorher überhaupt nicht klar waren. Wir haben das fast bei jedem Projekt erfahren, die Seestadt ist nur ein wenig breiter aufgestellt und wichtiger für Bregenz als etwa ein weiteres Haus im Millennium Park. Aber im Grunde geht es immer wieder ums Gleiche.
 
KS: Die Zeit, die du dem Projekt gibst, dass es stimmig ist, würden Kritiker sicher als ökonomisch nachteilig sehen, aber schließlich zahlt es sich dann doch aus – oder?
 
Bernhard Ölz: Also aus meiner Sicht, wenn man langfristig und in Gesamtsystemen denkt, ist es das einzig Richtige und auch ökonomisch richtig, das zeigt uns die aktuelle Zeit. Es ist im Verhältnis ein Bruchteil des wirtschaftlichen Aufwands, den man da investiert – und in der, aus meiner Sicht, wichtigsten Zeit. Wenn man das Projekt am Anfang falsch aufstellt, hat man im Nachhinein noch viel höhere Kosten, um es wider in den Griff zu bekommen. Und was man auch wissen muss: Standorte sind lebendig, das vergessen viele. Die Architektur wird oft überbewertet. Natürlich ist die Architektur auch aus städtebaulicher Sicht sehr wichtig, aber wichtiger sind doch vor allem die Menschen und wie die Menschen mit gestalten können, das ist doch das Entscheidende. Viele machen sich gar keine Gedanken, wie es in fünf Jahren aussieht und was passiert, wenn das Gebäude steht, wie durchmischt es ist und wer sich entfalten darf, wer nicht. Ich will nicht alles vorgeben, ich will ja die Leute, die später drin sind, mit gestalten lassen: ein gutes Beispiel dafür ist etwa der CAMPUS Dornbirn. Wir bauen keine fix fertigen Häuser und hängen das PRISMA Schild raus. Das sind eigene Standorte mit eigenen Identitäten. Das ist das Ziel, und um das zu schaffen, muss man breite Prozesse umsetzen.
 
Was noch dazu kommt ist, dass die Medienwelt sich komplett verändert hat. Es ist vieles viel transparenter geworden. Man muss lernen, damit umzugehen. Man muss kritikfähiger werden, ich meine Kritik annehmen können. Heutzutage kann dir fast jeder alles sagen, anonym oder nicht anonym. Das darfst du aber nicht persönlich nehmen, das sind in der Regel nur Beiträge. Nur zerstörerische Beiträge, die destruktiv sind, musst du irgendwann lernen auszuschalten.
 
KS: Das alles lernt man ja nicht an der BOKU (Universität für Bodenkultur, Wien), wie hast du diese Kommunikationsfähigkeit entwickelt?
 
4. Andersdenkende interessieren besonders: hinhören, Zeit dafür
nehmen
 
Bernhard Ölz: Durch viel Erfahrung und ich habe viel von Zuhause und von unterschiedlichen Schlüsselpersonen mitbekommen. Der entscheidende Grundsatz ist auch hier: den Anderen ernst nehmen, egal was ist. Ich lebe relativ „bieder“ in meinem Umfeld. Ich gehe in die Firma, ich trage im Normalfall einen Anzug, ich habe ein schönes Büro, fahre ein schönes Auto, habe ein regelmäßiges Einkommen und, und – richtig bürgerlich. Aber ich schätze Personen sehr, die ganz andere Lebensauffassungen und Lebensentwürfe wie ich haben. Die geben mir sehr viel und die will ich in mein Denken einbeziehen. Ich brauche möglichst unterschiedliche Anstöße.
 
KS: Hast du Strukturen, wie diese Anstöße immer wieder in dein Leben kommen?
 
Bernhard Ölz: Ja, es gibt in dem Sinn Strukturen, dass ich das Andere sehr genau anhöre und mir Zeit dafür nehme. Ich will genug Zeit haben, um die andere Auffassung zu verstehen. Weil mich das weiter bringt, Viele lehnen das ab und sehen es als Einmischung, wenn jemand anderer Meinung ist. Aber genau dieses Andersdenken interessiert mich, da steckt ja meist was dahinter.
 
KS: Kannst du dafür ein Beispiel geben, wie du diese Impulse aufnimmst und verarbeitest?
 
Bernhard Ölz: In Bregenz war es etwa der Bürgerrat. Er bestand aus Leuten, die komplett andere Zugänge haben. Diese Leute kenne ich nicht, sie sind aus ganz unterschiedlichsten sozialen Niveaus, und da muss ich ganz genau hinsehen. Oder: Künstler sind ja auch wieder ganz extrem. Wir überlegen in der PRISMA schon seit längerem, dass wir einen Think Tank gründen, in dem Menschen sitzen, die anders denken und die mir den ganzen Tag sagen, was ich für einen Blödsinn mache, dass ich ein Kapitalist bin, dass ich nur in den Dimensionen denke, die mir die Wirtschaft vorgibt. So bekommst du Qualität beim Hinterfragen des täglichen Tun und der Unternehmensstrategie.
 
KS: Das erinnert mich an ein Schweizer Chemieunternehmen, die hatten auch so einen Beirat. Eine Gruppe von acht bis zehn Personen, die sich ein- oder zweimal jährlich trifft. Die Personen der Gruppe kommen im Rahmen dieses Treffens mit vielen MitarbeiterInnen des Unternehmens in Kontakt. Ich kann mir vorstellen, die Auswahl dieser Mitglieder, damit andere Perspektiven einfließen, kann schon ein Erfolgsgeheimnis sein.
 
5. Einen Thinktank aus der Region initiieren
 
Bernhard Ölz: Ja, ich bin gerade dabei zu überlegen, welche Personen das sein können. Auf jeden Fall Menschen aus der Region, wo wir tätig sind – also von Wien bis Süddeutschland. Und es muss persönlich mit ihnen funktionieren, sie müssen es gern machen und mit einer gewissen Begeisterung sowie mit einer konstruktiven Grundhaltung bei diesem ThinkTank dabei sein. Was ich klar nicht will, sind Leute aus der Wirtschaft, die nur im Sinne von Wachstum, mehr Geld und mehr Kapital denken – sondern eher das andere. Das sind Qualitäten, die dazu kommen müssen, also eher aus dem Kultur- und Kunstbereich. Um ein Pendant zum Alltag zu haben.
 
KS: Das ist jetzt auch ein Beispiel dafür, das nicht aus dem Hintergrund der Krise, sondern mehr aus deiner Vision entstanden ist, dass man andere Perspektiven einfließen lässt. Du sagst; diese Perspektiven können von Künstlern stammen und Menschen aus unterschiedlichen Bereichen, egal ob Männer oder Frauen.
 
Bernhard Ölz: Frauen, Männer, auf jeden Fall. Wenn du gerade Frauen ansprichst. Wir haben ganz interessante Erfahrungen mit unseren Kinderbetreuungseinrichtungen gemacht. Dort hat man immer zwischen „ihr“ und „wir“ differenziert. Wo ich nachgefragt habe, wer denn „ihr“ und „wir“ genau ist, meinten sie mit „ihr“ die Menschen aus der Wirtschaft. Und das ist eigentlich tragisch, dass wir nicht zusammen gehören. Weil „wir“ auch Teil des sozialen Lebens sind, um das geht es mir. Im Think Tank kann auch ein Sozialarbeiter sein, der die PRISMA einmal radikal bewertet und sagt, was ihm an den ganzen Gebäuden nicht gefällt und wie wir alles verbauen und die Natur vernichten. Ich will einmal ganz andere Zugänge sehen und keine Menschen, die aus meinem System kommen, aus meinem direkten Umgang. Ein Soziologe muss auf jeden Fall dabei sein.
 
KS: Ja das ist spannend… ein Philosoph gehört wahrscheinlich auch dazu.
 
Bernhard Ölz: Das ist zwar kaum zu glauben, wenn man unseren Erfolg ansieht, aber ich habe einen relativ nüchternen Zugang. Das, was ich mache, war ein Glück, dass das so aufgeht mit der PRISMA. Und ich habe ein relativ schönes Umfeld im Unternehmen, mit den Mitarbeitern und den Mitgesellschaftern bzw. Mitaktionären – neben mir gibt’s ja noch zwei. Wir sind ein Unternehmen, das in der Region, ausgehend von Vorarlberg, sehr viel gestalten darf. Wir haben eine Aufgabe und eine sehr hohe Verantwortung bei dem, was wir tun. Wo wir Beiträge leisten können, gehen wir hin und wo wir nicht ins System passen, halten wir uns eher zurück. Wir haben das Glück, dass wir aussuchen können.
 

6. Verantwortung in der Region übernehmen
 
KS: Welche Verantwortung meinst du da?
 
Bernhard Ölz: Die Verantwortung, die man trägt, wenn man solche Investitionen setzt: Beispiel Seestadt Bregenz. Wir machen es mit den Menschen, mit der Region Darum haben wir über 50 Unternehmen, 15 davon sind operativ tätig, der Rest davon sind investierende Unternehmen: sie investieren in Standortentwicklung und Gebäuden. Es sind darum so viele, weil wir immer Partner aus der Region suchen. Das macht Sinn, da kommen regionales Denken und regionale Verantwortung dazu. Ich sage immer, ich brauche im Projekt jemanden dabei, der sich für seine Handlungen vor Ort verantworten muss. Das gibt es in der globalen Wirtschaft kaum mehr, die ist relativ anonym. Dort kannst du kommen, dein Geschäft machen und verschwinden, wie du willst. Das ist bei uns anders. Ich will Farbe bekennen. Wenn wir in Salzburg etwas bauen, will ich dafür gerade stehen und ich will Verantwortung übernehmen. Wir haben in Salzburg beispielsweise einen Verein gegründet, der sich mit Kinderthemen bis zu kulturellen Themen beschäftigt. Es ist mir wichtig, Verantwortung zu übernehmen, nicht nur bauen und verkaufen, sondern selber betreiben und dazu sehen, dass soziales Leben entsteht.
 
KS: Also die Bürgerbeteiligung ganz konkret fördern.
 
Bernhard Ölz: Alle Bürger, die sich Zeit nehmen und eine Stunde mit uns reden, sind ein Geschenk. Wenn Personen sich damit ernsthaft beschäftigen, ist es doch schön, wenn sie mir ihr Wissen weitergeben. Und dann ist es auch förderlich, wenn sie anderer Meinung sind. Natürlich gibt es auch immer die notorischen Querschläger.
 
KS: Das wurde mir in der Stadt Hohenems auch berichtet.
 
Bernhard Ölz: Die gibt es immer. Es sind gewisse Personen, die schon seit Jahren auffallen und keine konstruktiven Vorschläge machen. Diese Personen wird man halt leider aus konstruktiven Prozessen heraus halten müssen. 100% Zustimmung wird man nicht realisieren können. Aber man kann es breit getragen machen. Bregenz ist dafür ein sehr schönes Beispiel, die Einstimmigkeit in der Stadtvertretung für unser Projekt hätte niemand erwartet. Das bringt jetzt natürlich eine sehr hohe Erwartungshaltung mit sich. Und gefährlich wird es dann, wenn Bilder kommen. Ich finde die Bilder auch wichtig, wie sieht es aus, aber viel wichtiger ist, was geschieht hinter den Bildern.
 
KS: Welche Bilder meinst du da genau?
 
Bernhard Ölz: Die architektonischen Bilder. Es fragen mich in Bregenz viele, ob ich noch Nichts zum Vorzeigen habe. Aber ich möchte nicht den Architekten vorgreifen. Wir schauen, dass alles funktioniert mit der Nutzung, mit der Ansiedelung, mit dem Betrieb und versuchen jetzt auch ökologisch mit Alternativenergie etwas aufzuziehen. Vielleicht gehe ich jetzt zur ursprünglichen Frage zurück, ob die Krise scheidet
 
KS: „Die Krise ist eine Phase, in der sich Dinge scheiden.“, sagte Liessmann.
 
Bernhard Ölz: Das stimmt und ist besser als die Aussage, dass die Krise eine Chance ist. Erklär einmal einem Unternehmen mit 70%Umsatz-Rückgang, dass dies eine Chance ist. Da muss man sehr aufpassen, das ist ein sensibles Thema. Aber dass sich Dinge scheiden, kann ich bestätigen. Die nachhaltigen und ehrlichen Dinge bekommen jetzt eher eine Chance, weil sie langfristig orientiert sind. Denen tut eine zweijährige negative Veränderung nichts, im Normalfall.
 
KS: In Vorarlberg haben wir ja durch verschiedene Akteure einen guten Boden für Entwicklungen. Siehst du das auch so? Zum Beispiel, dass das Projekt Energiezukunft Vorarlberg mit dem Energieinstitut ein gute Chance hat? Und wie seid ihr da eingebunden?
 
Bernhard Ölz: Das Projekt Energiezukunft Vorarlberg ist eine gute Idee. Und das Energieinstitut ein Partner, der das gestalten kann. Aber man sollte noch mehr an Unternehmen denken und vorhandene Exzellenz aktivieren. Wir haben viel mehr Potential, als man glaubt. Vorarlberg war für mich immer ein großer Vorreiter in verschiedenen Themenbereichen, so wie auch beim Thema Energie.
 
KS: Ich bin da beteiligt, weil wir in diesem Jahr einen Dialogprozess mit unterschiedlichen Beteiligten gestalten werden.
 
Bernhard Ölz: Wenn man das Thema Energie aufnimmt, würde ich einen Schwerpunkt auf Stärken legen, die wir in Vorarlberg haben. Man müsste mal untersuchen, wo diese Stärken liegen. Wir sind da ziemlich von den Medien getrieben Jeder kennt das Wort CO², aber es gibt hundert andere Gase, die schädlich sind. Man muss da einfach ein wenig ausweiten im Gesamtdenken, und überlegen, was jeder für Beiträge leisten kann. Die VKW (Vorarlberger Kraftwerke) sind sicher Vorreiter mit dem Projekt VLOTTE (Elektroautos), die sind vor allem medial gesehen natürlich ein Hit und erzeugen eine wichtige Bewusstseinsänderung. Isolierte Passivhauslösungen sind schön, aber ob sie die Zukunft sind?
 
KS: Wenn du in die Zukunft schaust, siehst du da etwas am Horizont auf dich zukommen, mit dem das Unternehmen und Führungskräfte mehr konfrontiert sein werden als bisher?
 
Bernhard Ölz: Gute Frage. Eines, was sicher kommt, ist die Veränderung im Finanzbereich, wo noch einige Überraschungen auf uns zukommen werden. Also zum Beispiel beim Thema Finanzierungen, glaube ich, ist noch nicht Ende des Tages. Da kommt noch einiges, was nicht nur positiv sein wird. Der ganze Finanzbereich ist komplett verunsichert und das Vertrauen der Banken untereinander fehlt.
 
KS: Ihr habt ja eine eigene Finanzierungsgesellschaft. Ihr habt sozusagen die Bank im eigenen Haus.
 
Bernhard Ölz: Wir beschäftigen uns sehr stark mit dem Thema, weil wir natürlich viel Finanzierungsvolumen haben, durch die Betreuung der ganzen Standorte. Die Finanzierbarkeit auch von „guten“ Projekten ist nicht einfacher geworden.
 
KS: Da wird es ähnlich sein wie mit der Kontaktpflege, die dir in den Prozessen so wichtig ist. Man wird im Finanzbereich gute Beziehungen mit dem nötigen Vertrauen entwickeln müssen.
 
Bernhard Ölz: Ja, das sind alles Vertrauensfragen. Die Banken messen das an deinen Handlungen. Wir haben in Vorarlberg ein großes Glück mit der Landes-Hypothekenbank. Sie haben uns immer und an allen Standorten aktiv begleitet. Was Finanzierungen und Bewertungen anbelangt, waren wir immer stockkonservativ. Das hat sich jetzt bewährt, eine Immobilie hat genug Risiko, das muss ich nicht noch überziehen. Die PRISMA hatte ein erfolgreiches Jahr 2009.
 
KS: Also auf manche Unternehmen wird hier noch Größeres zukommen, wenn sie nicht die richtigen Partner haben…
 
7. Nicht zu einer Überforderung der Führungskräfte kommen lassen
 
Bernhard Ölz: Ein anderes Thema, was vermehrt auf uns zukommt, sind psychische Dinge in der Managementebene, das wirst du wohl auch so mitbekommen. Ich erlebe es zunehmend, dass Überforderung vermehrt um sich greift. Und gerade in diesen Zeiten, wo nichts vorwärts geht, wächst der Druck. Wie kann ich diesem Druck begegnen?
 
KS: Was machst du, damit du dich nicht überforderst?
 
Bernhard Ölz: Das ist ein persönliches Programm, du musst einfach Auszeiten nehmen, dem menschlichen Körper und Geist Erholungsphasen gönnen. Mit einem gewissen Erholungs- und Spaßfaktor bringst du auch andere dazu, dass sie mal abschalten. Ich bin mir bewusst, dass das Unternehmen und Wirtschaften nicht alles ist in meinem Leben, es ist nicht das existentielle. Es ist kein Spiel, aber es gibt auch andere Dinge, die viel wichtiger sind. Viele meinen, dass es der einzige Sinn ist. Und gerade in Notsituationen ist es oft so, dass Kurzschlusshandlungen kommen aus diesem Grund. Und da befürchte ich, wenn der Druck da bleibt, kommen da manche unter die Räder.
 
KS: Wo bekommst du Erholung und Entspannung?
 
Bernhard Ölz: Von der Natur hauptsächlich, von Wanderungen etwa. Einfach weg vom Kapital, der Szenerie, der Wirtschaft. Ich sage immer, man muss auch mal einen „sinnlosen“ Nachmittag verbringen können. Unter Anführungszeichen „sinnlos“. Und das können viele gar nicht mehr. Wirklich loslassen und die normalen Dinge, die da sind und sehr schön sind, sehen.
 
KS: Und du weist da auch deine Leute drauf hin, dass diese Zeiten wichtig sind?
Bernhard Ölz: Darauf hinweisen schon, aber wichtiger ist das Vorleben. Jeder hat da seinen eigenen Weg. Wir als Führungspersonen schauen darauf, dass die Leute ihre Freiräume kriegen. Aber ich möchte nicht zu stark ins Persönliche eingreifen, das entscheidet jeder für sich, auch bei Entscheidungen betreffend Familie. Wenn wir merken, dass jemand überfordert ist, schauen wir sehr genau darauf und sprechen es an. Und dann sucht man gemeinsam nach Lösungen, wenn es der Fall ist und das ist durchaus manchmal der Fall. Wenn einer gar nicht mehr merkt, dass er in der Spirale drin ist, muss man ihn stoppen und ihm raus helfen. Da gibt es aber viele Tabus, wenn jemand überfordert ist, sagt er dir das genau nicht, weil er Angst hat, dass er versagt, dass er nicht weiter kommt, dass er die Leistung nicht bringt. Ich versuche bei allen Gelegenheiten anzusprechen, dass es kein Problem ist, dass jedem gewisse Tage zustehen, wenn er persönliche Konflikte hat.
 
KS: Werden persönliche Themen auch untereinander wahrgenommen und unterstützt?
 
Bernhard Ölz: Ja schon. Wichtig ist, dass man die Tabus wegnimmt. Man muss ermöglichen, dass man darüber redet, dann ist schon viel Druck weg. Dass die Leute miteinander reden und sich nicht verstecken und sagen: Wir sind eine schöne Mannschaft von Personen.
 
KS: Habt ihr da eine bestimmte Kommunikationsstruktur, Formen von gemeinsamem Gespräch, oder ist das Teil des Unternehmensklima, dass man selbstverständlich aufeinander zugeht?
 
Bernhard Ölz: Wir haben schon Strukturen, es gibt regelmäßige Gespräche von den Führungspersonen mit den Mitarbeitern. Eine Bemerkung: Der Begriff Führungspersonen ist relativ, es gibt bei uns fast keine Chefs. Es gibt regelmäßige, persönliche Gespräche, die finde ich sehr wichtig, und da wird möglichst ohne Tabu alles angesprochen.
 
KS: Was heißt regelmäßig?
 
Bernhard Ölz: Zumindest zweimal im Jahr. Das ist ja schon sehr viel. Einmal im Jahr ist bei uns sowieso ein Muss, da kommt kein Geschäftsführer aus. Aber im Normalfall ist es bei uns viel öfter. Führung kann man ja nur mit fünf, sechs Personen erfolgreich machen und da schauen wir sehr genau darauf, dass es funktioniert und dass die jeweilige Führungsperson mit seinen Leuten redet – das wird so circa alle zwei Wochen mal sein. Wichtig ist auch, dass man im Alltag auch mal ernsthaft fragt, wie es dem Gegenüber eigentlich geht. Oder dass man mal eine Gaudi macht, dass man nicht nur problemorientiert, sondern auch spaßorientiert denkt. Wir haben sehr viel Humor. Aber man sollte natürlich auch nicht nur blödeln. Wir haben – so glaube ich – eine gute Mischung geschafft. Und das funktioniert auch in Wien oder Salzburg gut. Ich persönlich kann sehr viel dazu beitragen, weil ich die Tabus nehme, wenn ich nach Wien oder Salzburg komme. Und am Vorleben orientieren sich schon Viele, was möglich ist und was nicht. Ich sage es auch jeder Person im Vorstellungsgespräch. Ich habe die Bitte bei den Geschäftsführern, wenn sie Leute einstellen, dass ich bei einem Gespräch vorab dabei bin. Einfach, dass diejenigen wissen, wer hinter dem Betrieb steht. Und ich versuche im Gespräch klar zu machen, was unsere Erwartungshaltung ist – im positiven und auch im harten Sinn – was das Unternehmen geben kann und was es sich erwartet. Und da kommen diese Themen auch alle. Wir haben da definitiv keine Stechuhr. Zum Arbeitszeiten Notieren bist du ja verpflichtet, die Zeiteinteilung sollte aber möglichst flexibel bleiben. Zu den Kernzeiten sollte man natürlich anwesend sein, auch wegen der Erreichbarkeit. Wichtig ist vor allem auch, dass, wenn einmal Not am Mann ist, dass man zusammen steht und wirklich Beiträge leistet.
 
KS: Ist das schon einmal passiert?
 
Bernhard Ölz: Immer wieder. In Projekten gibt es immer wieder Situationen, bei denen der Hut brennt. Wir setzten auch öfter Schwerpunkte, wenn es irgendwo brenzlig wird. Und da ist dann interessant, was man da noch alles herbringt. Das fasziniert mich immer wieder, was man alles schafft, wenn man die Leute begeistert. Wir sind natürlich keine Idealfirma, ich will das nicht schön reden, wir haben alle Probleme und Themen, die andere Unternehmen auch haben. Aber wir haben ein sehr offenes, konstruktives Klima.
 
KS: Das merkt man schon, wenn man hier herein kommt.
 
Bernhard Ölz: Die Stimmung bei uns ist soweit sehr gut. Aber wir haben natürlich schon auch Stresssituationen, wo man auch mal so reagiert, wie man nicht sollte. Das passiert jedem, auch mir. Es ist nicht alles eitle Wonne und Idealfall. Aber in Summe haben wir ein sehr mitarbeiterverträgliches und sehr menschenfreundliches Klima. Wir sind auch kein Produktionsbetrieb, da ist es einfacher zu gestalten.
 
8. Ideen von 60 Mitarbeitern aus verschiedenen Standorten für die
 Zukunft generieren
 
KS: Zum Schluss noch eine Frage: Weil ihr ja Projekte macht, die weit in die Zukunft reichen: Wo holt ihr die Ideen her, dass ihr irgendwann sagen könnt: die Zukunft hat sich gut entwickelt?
 
Bernhard Ölz: Das ist einerseits durch unsere verschiedenen und vielschichtigen Persönlichkeiten. Wir sind inzwischen 60 Mitarbeiter, verteilt über die ganzen Standorte von Wien bis Friedrichshafen. Und das sind extrem viele, wenn man weiß, wie viele Personen noch hinter diesen Mitarbeitern stehen. Und die sind alle kreativ, wenn man ihnen die Freiheiten gibt und Möglichkeiten schafft, sich zu entfalten.
 
KS: Du bist bei der Einstellung der Mitarbeiter quasi dabei und dann sollten sie aber ihren Freiheitsgrad und ihre Verantwortung sehen und diese auszunutzen wissen.
 
Bernhard Ölz: Ja genau. Es ist eigentlich relativ einfach. Man muss nur schauen, wo es dem Mitarbeiter Spaß macht und dann kommt er selbst darauf, wo seine Fähigkeiten sind. Und man muss ihm Feedback geben – ernsthaft und ehrlich. Wir haben ein super Repertoire an Möglichkeiten und kreativen Dingen. Und die Leute wissen, dass wir so prozessorientiert denken. Sie schauen aus Eigenantrieb, wo sie sich einbringen können. Die Ideen können gar nicht alle von uns kommen, dazu haben wir ein breites Netzwerk mit unseren Gesellschaften und Partnern. Wir haben unendliche Möglichkeiten, kreativ zu sein. Ich muss nur offen sein und zuhören können. Ich muss andere Meinungen zulassen. Es ist schädlich, wenn man selber meint, dass man immer richtig unterwegs ist. Mein Partner in der Holding, Hermann Metzler, hat immer gesagt: Hundert Wege führen nach Rom. Und das ist einfach so, du musst deinen und andere Weg zulassen. Und irgendwann triffst du den „Anderen“ dann in Rom. Und er ist einen ganz anderen Weg gefahren als du. Und du hast gemeint, das geht sicher nicht gut. Das muss man können: loslassen!
 
KS: Also wenn ein Mitarbeiter seinen eigenen Weg gehen kann, sich gut eingesetzt fühlt und begeistert ist, dann wird er auch am Wochenende jene Zeitschriften lesen, die schließlich dem Unternehmen nützen.
 
Bernhard Ölz: Genau, dann ist er einfach dabei. Das ist das Schönste, was man erleben kann. Das war bei mir auch so. Wenn du begeistert bist, ohne nachzudenken, ob du die Idee für die Firma hast oder für dich privat. Du hast eine Idee und willst sie realisieren. Das ist schön, wenn’s funktioniert. Und wir schauen, dass wir unseren Leuten diese Möglichkeit bieten können. Das andere merkst du schnell bei uns. Wenn jemand eine Woche unglücklich ist, weil er eventuell ein persönliches Thema hat, geht’s noch, aber auf Dauer schadet das ihm selbst, er kann sich nicht entfalten. Schön ist, wenn einer begeistert ist. Und das Unternehmen muss ihm dafür die Möglichkeiten schaffen. Was ich jetzt feststelle und das ist auch das Schöne an der Zeit momentan, dass mehr Werte da sind, dass das Regionale wichtiger geworden ist, dass Kennen von Systemen. In den Jahren davor war das nicht so, da hat man einfach Aktien gekauft und es ist gut gegangen bis auf wenige Ausnahmen, das war eine komische Zeit irgendwie – auch für mich. Da fragt mach sich, was soll denn das? Das ist unkontrolliertes Wachstum.
 
KS: Der Biokybernetiker Frederic Vester sagte einmal: Unkontrolliertes Wachstum ist Krebs. Der neue österreichische EU-Regional-Kommissar Johannes Hahn, hat der für dich oder für euch eine Relevanz?
 
Bernhard Ölz: Ich hoffe, er schaut ein wenig auf unsere Regionen. Ich kenne ihn ja persönlich, wenn auch nicht sehr gut. Ich hoffe, er denkt mehr in regionalen Dimensionen und nicht zu stark in politischen. Ich habe immer das Gefühl, dass die politisch Verantwortlichen auf europäischer Ebene wieder mehr ins Regionale kommen sollten. Die Arbeit muss für die Bürger sichtbarer werden. Das wäre sehr wichtig.
 
KS: Darum gibt es wahrscheinlich so viele Aversionen gegen die EU.
 
Bernhard Ölz: Ich bringe immer das Beispiel der Österreich-Werbung: die geben jährlich Millionen aus. Und man könnte kritisieren, wieso die so viel Werbung brauchen, weil du kannst den Erfolg nicht messen. So ähnlich ist es mit der EU und mit den verantwortlichen Personen. Die tun sehr viel Gutes und meist mit sehr viel persönlichem Einsatz. Aber wo ist das Messbare für den Bürger in Lustenau? Man muss das kommunizieren, wie so ein System funktioniert. Aber das ist schwierig.
 
KS: Vielleicht gelingt Hahn das ja besser. Danke für das Gespräch.
 
Bernhard Ölz: Danke.
 
 
9. Biographisches
 
Dipl.Ing.Bernhard Ölz( geb.1963),Vorstandsvorsitzender der Prisma Holding AG. Die Prisma- Gruppe befasst sich mit Standort-, Stadt- und Regionalentwicklung in Österreich, Deutschland und der Schweiz (www.prisma-zentrum.com); 1987 Abschluss des Studiums der Kulturtechnik und Wasserwirtschaft an der Universität für Bodenkultur in Wien. 1989 Abschluss des Studiums der Betriebs-, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften an der Technischen Universität Wien. Ab 1989 tätig bei entec environmental technology, Internationaler Anlagenbau in Fußach; 1990 Eintritt in die ehemalige ZIMA- Unternehmensgruppe; Aufbau und Geschäftsleitung des VWP-Vorarlberger Wirtschaftsparks in Götzis und 1994 Gründung der Prisma. 18 operativ tätige Unternehmen in Österreich, Süddeutschland und Ostschweiz; 30 investierende Unternehmen (mit Partnern). Obmann Verein Millenium Park mit KIMI Kinderbetreuung und Worklife 21.


* Dieses Gespräch Teil des Forschungsprojektes „In der Krise: Beibehalten, innovieren, über Bord werfen“. In diesem Forschungsprojekt werden Personen interviewt, die eine maßgebliche Führungsfunktion in einer Organisation innehaben. Ziel dieser Gespräche ist, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, was derzeit als unternehmerisch relevant erlebt wird, und welche grundlegend neuen Fragen sich dabei herauskristallisieren. Dieses Forschungsprojekt entstand im Rahmen von metalogikon. Die Interviews und die zusammengefassten Erkenntnisse daraus sind abrufbar unter www.metalogikon.com